Wenn weniger mehr wird

Was bedeutet für dich Minimalismus? Nur noch mit 100 Gegenständen zu leben? Den Kleiderschrank ausmisten und so wenig, wie möglich zu besitzen? Für mich geht Minimalismus weit mehr über das Zählen von Dingen heraus. Nämlich immer wieder die Balance von weniger und mehr zu finden. Und somit dieses Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit zu verspüren.

Als mich mein überfüllter Kleiderständer vor einigen Jahren anfing zu beschweren, passierte es. Der springende Punkt, der etwas ins Rollen brachte. Etwas Kleines zu etwas Grossem machte. Immer stärker drängte sich mir das Bedürfnis auf: Mein Konsumverhalten zu hinterfragen, Ballast abzuwerfen. Es gab Phasen – gerade am Anfang, da fühlte ich mich befreit und leicht. Es gab Phasen, da übertrieb ich es auch und der Drang nach dem ewigen Ausmisten engte mich ein. Mein erster Tipp: Weder radikal noch perfekt ist die Lösung. Damit Minimalismus alltagstauglich wird, hilft ein stetig wachsendes Bewusstsein, wer du bist, was du wirklich brauchst und du herzlich liebst. Nicht jeder möchte mit 100 Gegenständen leben. Ich zum Beispiel nicht. Und das ist ok. Finde für dich heraus, was dich beschwert und wann du dich leicht fühlst. In meinen Augen gibt es nicht «einen» Minimalismus. Sondern «deinen».

Vom Anfang

Das Schlüsselbild meiner heutigen Kleiderstange scheint etwas auszulösen bei den Menschen. Auch hipp «Capsule Wardrobe» genannt. Davon wusste ich jedoch noch nichts, als ich damals vor fünf Jahren anfing meine Kleider auszumisten, zu verschenken, zu spenden, an Flohmis zu verkaufen, den ersten Tauschflohmi zu organisieren. Ich sagte damals nicht zu mir: Jetzt lebe jetzt minimalistisch. Es passierte einfach, weil ich es satt hatte. Diese Schnellschusskäufe, immer und immer wieder, um dieses kurzfristige Glücksgefühl zu spüren. Welches dann immer wieder in langfristiger Frustration endete: Hallo schnelllebige Welt mitten in der Wegwerfgesellschaft. Zu hinterfragen, warum das so ist und sein Konsumverhalten bewusst zu verändern, bringt so viel mehr Wertschätzung ins Leben. Somit mein zweiter Tipp: Fange da an, wo dich etwas am meisten stört. Auch wenn es Überwindung kostet und am Anfang anstrengend ist. Langfristig tut es so gut, wieder mehr Wertschätzung für das, was bleibt, zu fühlen.

Zum Ende

Zurück zur «stimmigen, leichten» Kleiderstange von heute. Das Erste, was ich dazu sage: Das hat gedauert. Es war ein Prozess, der Zeit brauchte. Der Impuls kam zwar gefühlt über Nacht, jedoch bin ich der Überzeugung, dass dieser sogenannte Prozess ein Leben lang anhält. Und das ist auch gut so. Für mich ist dieses «Weniger ist mehr» Gefühl wie ein Kompass in allen Lebensbereichen geworden: Was fühlt sich stimmig an und was nicht. Im Alltag lässt sich das manchmal konsequenter und manchmal weniger umsetzen. Und auch das ist ok. Mein dritter und wichtigster Tipp: Lass dir Zeit. Und finde vor allem immer wieder die Freude darin. Dann hält es langfristig an. Und weniger wird mehr.